Prof. Dr. Renate Ohr              
                  


Prof. Dr. Renate Ohr - Meine Meinung


You really can suppose that politicians make wise decisions - but as a rule not before having tried all the other alternatives.

(Benjamin Disraeli, brit. Ministerpräsident 1874-1880)


Anpassung der Schuldenbremse (13.2.2025)

"Ein Staat ohne Staatsschuld tut entweder zu wenig für seine Zukunft oder er fordert zu viel von seiner Gegenwart" (Lorenz von Stein, Lehrbuch der Finanzwissenschaft, 1875).

In heutigen Worten: Staatliche Investitionen sollten auch durch Kredite finanziert werden können, sonst wird zu wenig investiert (z. B. in die öffentliche Infrastruktur), wodurch das künftige Wachstum geschwächt wird. Anderenfalls würde verlangt werden, dass auch solche öffentlichen Investitionen, deren Ertrag über einen langen künftigen Zeitraum hinweg zum Tragen kommt, vollständig von der heutigen Generation der Steuerzahler finanziert werden müssten. Dies würde aber die heutige Generation zu stark belasten - entweder durch höhere Steuern oder durch eine ansonsten notwendige Reduktion/Einsparung anderer öffentlicher Ausgaben, z.B. im Sozialbereich.

Voraussetzung ist allerdings eine sinnvolle und umsetzbare Abgrenzung jener öffentlichen Investitionen, die für ein nachhaltiges Wachstum substantiell sind und daher kreditfinanziert werden sollten.

Von Vorteil ist darüber hinaus ein bisher vergleichsweise geringer Staatsschuldenstand, der die Zinsen nur moderat ansteigen lässt. Deutschland steht hier sehr günstig da: Unter den wichtigsten Industrieländern USA, Japan, UK, Frankreich, Italien, Spanien etwa weist Deutschland mit 63,6% des BIP den mit Abstand geringsten Stand der Staatsschulden auf (BMF-Monatsbericht Februar 2024).

Aber auch die Höhe des Netto-Auslandsvermögens eines Landes spielt eine gewisse Rolle. So belief sich das deutsche Netto-Auslandsvermögen Ende 2023 auf 2.964 Mrd €. Das entsprach gut 70 % des nominalen Bruttoinlandsprodukts Deutschlands (30.09.2024 Pressenotiz Deutsche Bundesbank). Ein großer Teil der deutschen Ersparnisse wird also im Ausland investiert und könnte stattdessen teilweise auch in die Kreditfinanzierung öffentlicher Investitionen im eigenen Land fließen.

Um eine anhaltende Unterversorgung mit öffentlichen Investitionen zu vermeiden, sollte eine Anpassung der Schuldenbremse um eine sog. "golden rule" erfolgen, die besagt, dass nachhaltig wachstumsfördernde öffentliche Investitionen schuldenfinanziert werden dürfen.

Nicht ohne Grund stand diese Idee hinter dem bis 2009 geltenden Art. 115 des Grundgesetzes.